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GD — Gesellschaft für Dermopharmazie e.V.

   
 

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  Ausgabe 1 (2010)

Dermopharmazie aktuell
Nanopartikel in Dermatika und Kosmetika

Die Perspektiven sind enorm, und die Risiken scheinen sich in Grenzen zu halten


Bericht von Dr. Claudia Schöllmann, Königswinter

Nanotechnologie – dieser Begriff ist derzeit in aller Munde. Tatsächlich hat der Einsatz kleinster Partikel im Nanometerbereich nicht nur die Werkstofftechnik revolutioniert, sondern auch Eingang in die Medizin gefunden. Bei der Nanomedizin geht es vor allem darum, die Möglichkeiten, die Nanopartikel als Wirkstoffträger bieten, optimal zu nutzen. Andererseits ist die Diskussion um die toxikologische Sicherheit der Partikel weiterhin in vollem Gange. Ein großes Medienecho dazu entfachte ein vom Umweltbundesamt im Oktober 2009 herausgegebenes Hintergrundpapier. Darin wurde empfohlen, die Verwendung von Nanoprodukten möglichst zu vermeiden, solange ihre Wirkung auf Mensch und Umwelt unbekannt ist. Anders als es diese undifferenzierte Empfehlung vermuten lässt, sind die meisten Fragen zur Sicherheit der in Dermatika und Kosmetika eingesetzten Nanopartikel jedoch inzwischen geklärt.
Die Nanotechnologie ist eine wichtige Zukunftstechnologie. Industrie, Wissenschaft und auch Verbraucher versprechen sich durch den Einsatz kleinster Materialien, die weniger als 100 Nanometer groß sind, bessere Produkteigenschaften. Aus diesem Grund stecken Nanopartikel bereits heute in vielen Produkten des täglichen Lebens, so auch in Kosmetika und Arzneimitteln.

In Sonnenschutzmitteln sind Nanopartikel in Form von mikronisiertem Titandioxid oder Zinkoxid weit verbreitet. In Hautpflegeprodukten sollen Nanokapseln für den Schutz und den Transport aktiver Inhaltsstoffe sorgen und die pflegende Wirkung verbessern. In äußerlich angewandten Arzneimitteln werden die kleinen Partikel zur Erhöhung der Wirkstoffresorption eingesetzt.

Fragen zur Sicherheit
stellen sich zu Recht

Zu Recht stellt sich deshalb die Frage, ob von Nanoprodukten, die völlig neue physikalische Eigenschaften aufweisen, Gesundheitsrisiken für den Menschen ausgehen können. Für solche Fragen zum gesundheitlichen Verbraucherschutz ist in Deutschland nicht das Umweltbundesamt, sondern das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zuständig.

Das BfR hat sich schon im September 2008 detailliert zu den Gesundheitsrisiken von Nanopartikeln geäußert. Demnach können insbesondere freie Nanopartikel, Nanoröhrchen oder Nanofasern, die nicht an eine Matrix gebunden sind, wegen ihrer geringen Größe, ihrer Form, ihrer hohen Mobilität und ihrer Reaktivität grundsätzlich gesundheitliche Risiken hervorrufen.

Auch das wissenschaftliche Komitee für Verbraucherprodukte (Scientific Commitee on Consumer Products, SCCP) der EU weist darauf hin, dass Nanopartikel möglicherweise ein erhöhtes oxidatives Potenzial aufweisen und demzufolge lokal zu erhöhtem oxidativen Stress und unerwünschten Gesundheitseffekten führen können.

Die größten Risiken sehen Wissenschaftler im Einatmen von Nanopartikeln. Hier ergaben Untersuchungen am Tiermodell Hinweise darauf, dass die Partikel in die Lunge gelangen und dort Entzündungen, mitunter sogar Tumore, auslösen können. Dem BfR ist bislang jedoch kein Fall bekannt, bei dem Gesundheitsschäden beim Menschen nachweislich durch Nanomaterialien ausgelöst wurden.

Anders als die Schleimhäute im Respirationstrakt stellt die intakte Haut jedoch eine effektive Barriere für Nanopartikel dar. Nach Angaben des BfR kann das Eindringen von Nanopartikeln durch die menschliche Haut nach derzeitigem Stand des Wissens weitgehend ausgeschlossen werden. Dies war auch der Tenor eines Symposiums zur Nanotechnologie, das die Fachgruppe Dermatopharmakologie und -toxikologie der Gesellschaft für Dermopharmazie anlässlich der 13. GD-Jahrestagung Ende März 2009 in Heidelberg veranstaltet hat.

Titandioxid gelangt nicht
in lebende Hautzellen

„Nanopartikel haben’s schwer.“ Mit diesem Satz eröffnete Professor Dr. Dr.-Ing. Jürgen Lademann, Berlin, das Symposium der GD. Sein Team an der Dermatologischen Klinik der Charité hat die Penetration von Nanopartikeln und deren Speicherung in der Haut mit verschiedenen Methoden untersucht. Eine Fragestellung dabei war, ob in Sonnenschutzmitteln enthaltenes nanopartikuläres Titandioxid nicht nur, wie erwünscht, in die Epidermis, sondern auch in tiefere Hautschichten eindringt.

Mit der Methode des Tape Strippings wurde bestimmt, wie viel Titandioxid nach dem Auftragen verschiedener Prüfprodukte in den einzelnen Hautschichten ankam. „Das Ergebnis“, so Lademann, „hat uns zunächst beunruhigt.“ Es zeigte sich nämlich, dass die Partikel auch in tiefere Hautschichten vordringen – allerdings nur im Bereich der Haarfollikel.

Dagegen habe man an Hautstellen außerhalb von Haarfollikeln noch nicht einmal Spuren von Titandioxid gefunden. Es könne deshalb davon ausgegangen werden, dass Nanopartikel mit einer Größe von mindestens 100 Nanometern bei intakter Hautbarriere im Haarfollikel verbleiben und aus diesem nach einiger Zeit über das Sebum wieder heraustransportiert werden. Hinweise dafür, dass die Partikel auch in lebende Zellen gelangen, gebe es nicht.

Nanopartikel sind als kutane
Arzneistoffträger interessant

Mit der Sicherheit von nanopartikulären Arzneistoffträgern beschäftigt sich schon seit langem der Arbeitskreis von Professor Dr. Monika Schäfer-Korting am Institut für Pharmazie der Freien Universität Berlin. Das Berliner Forscherteam nahm vor allem Lipidnanopartikel im Größenbereich um 200 Nanometer und sogenannte Kern-Multischalen (CMS)-Nanotransporter mit Größen von 5 bis 20 Nanometern unter die Lupe.

Lipidnanopartikel bestehen ausschließlich aus festen Lipiden, in denen der Wirkstoff eingeschlossen oder an der Oberfläche assoziiert ist. CMS-Nanotransporter haben einen komplexeren Aufbau: Hier können lipophile Substanzen in den Kern und hydrophile in der Schale eingelagert werden oder umgekehrt.

Schäfer-Korting und ihr Team untersuchten zunächst, ob und in welchem Ausmaß Nanopartikel die Penetration von anderen Stoffen in die Haut beeinflussen. Dafür wurden die Partikel mit Markersubstanzen beladen, die sich später leicht detektieren ließen. Das Forscherteam fand heraus, dass Lipidnanopartikel die Penetration der Markersubstanzen um den Faktor 4 bis 8 und CMS-Nanotransporter sogar um den Faktor 13 erhöhten.

In weiteren Untersuchungen am Schweinehautmodell konnte gezeigt werden, dass sich die Lipide der Partikel mit denen der Haut mischen, ohne dass membrantoxische Effekte zum Tragen kommen. Schäfer-Korting folgerte daraus, dass die Nanopartikel trotz ihrer geringen Größe nicht über die Haut resorbiert werden und deshalb bei kutaner Anwendung wohl unbedenklich sind.

Insgesamt bedarf die Sicherheit der Trägersysteme nach Schäfer-Kortings Meinung jedoch noch weiterer Untersuchungen. So sei zum Beispiel noch nicht geklärt, ob durch Nanopartikel die transkutane Resorption von toxischen Substanzen aus der Umwelt gesteigert wird. Auch gebe es noch nicht genügend Informationen darüber, wie sich die Anwendung von Nanopartikeln bei Hautkrankheiten mit gestörter Hautbarriere auswirke.

Erste Experimente am EpiSkin-Hautmodell ergaben, dass CMS-Nanotransporter möglicherweise sogar die Toxizität bestimmter Stoffe abschwächen. So konnte Schäfer-Kortings Team zum Beispiel nachweisen, dass membrantoxische Substanzen wie Natriumlaurylsulfat in die Partikel hineintransportiert und dadurch in ihrer lokalen Verträglichkeit verbessert werden.

Professor Dr. Monika Schäfer-Korting und ihr Arbeitskreis am Institut für Pharmazie der Freien Universität Berlin befassen sich schon seit langem mit der Sicherheit von nanopartikulären Arzneistoffträgern zur dermalen Anwendung. Obwohl noch nicht alle Fragen zur Sicherheit wissenschaftlich geklärt sind, kann nach derzeitigem Erkenntnisstand davon ausgegangen werden, dass von solchen Wirkstoffträgern keine toxikologische Risiken ausgehen.

Auch im Nanozeitalter
ist nicht alles „nano“

Professor Dr. Claus-Michael Lehr vom Institut für Biopharmazie und Pharmazeutische Technologie der Universität des Saarlandes in Saarbrücken plädiert für einen „optimistischen Ansatz“ in der Nanomedizin. Seiner Meinung nach werde derzeit sehr unreflektiert mit dem Begriff „Nanopartikel“ umgegangen, unabhängig von deren chemischer Komposition.

Lehr stellte einen experimentellen Ansatz vor, der eindrucksvoll demonstrierte, dass man mit Aussagen rund um die Anwendung von Nanopartikeln und deren möglichen Effekten vorsichtig sein muss. Um das Potenzial nanopartikulärer Trägersysteme aus etablierten biodegradierbaren Polymeren für den Arzneistofftransport in und durch die Haut zu untersuchen, wurden in Lehrs Arbeitskreis Experimente mit 200 bis 400 Nanometer großen Partikeln durchgeführt, in denen der Arzneistoff Flufenaminsäure inkorporiert war.

In-vitro-Experimente mit der Franz-Diffusionszelle und dem Saarbrücker Penetrationsmodell ergaben, dass unabhängig von der Partikelgröße mehr verkapselter Wirkstoff in und durch die Haut transportiert wurde. Ein Einfluss von Haarfollikeln konnte ausgeschlossen werden.

Die erhöhte Permeation zeigte sich überraschenderweise auch, wenn arzneistofffreie Nanopartikel zusammen mit gelöster Flufenaminsäure appliziert wurden. Bei diesem vermeintlichen Nanoeffekt, so Lehr, handele es sich in Wirklichkeit jedoch um ein Phänomen, für das weniger der Partikel als vielmehr der saure pH-Wert der Flufenaminsäure verantwortlich sei.

„Die Lektion, die wir aus diesem Befund lernen, ist, dass auch im Nanozeitalter nicht alle Effekte, die wir mit Nanopartikeln sehen, Nanoeffekte sind“, resümierte Lehr. Er plädierte dafür, das Sicherheitsprofil von Nanopartikeln zukünftig anhand der Löslichkeit beziehungsweise der Bioverfügbarkeit sowie der „intrinsischen Toxizität“ der inkorporierten Substanz zu klassifizieren.

Zu den umfangreichen Forschungsaktivitäten von Professor Dr. Claus-Michael Lehr, Saarbrücken, gehören an Untersuchungen zur Hautpenetration von wirkstoffbeladenen Nanopartikeln. Wie in seinem Arbeitskreis am Institut für Biopharmazie und Pharmazeutische Technologie der Universität des Saarlands herausgefunden wurde, stehen jedoch längst nicht alle beobachteten Penetrationseffekte dieser Wirkstoffträger mit deren nanopartikulärer Struktur in Zusammenhang.

Von der Franz-Zelle
zum In-vivo-Modell

Wenn es darum geht, die Chancen und Risiken von Nanopartikeln in der dermalen Anwendung abzuschätzen, stehen derzeit eindeutig In-vitro-Modelle im Vordergrund. Doch deren Aussagekraft ist naturgegeben limitiert und nicht immer auf die In-vivo-Situation zu übertragen. „Irgendwann“, so Privatdozent Dr. Joachim Fluhr von der Bioskin GmbH, „müssen wir aber von der Franz-Zelle an den Menschen“.

Fluhrs Unternehmen beschäftigt sich deshalb damit, In-vivo-Methoden für diese Fragestellung zu etablieren. Dabei stehen neue digitale Imaging-Techniken, verbunden mit klassischen Methoden, im Vordergrund. Als wichtiges Verfahren, das in Zukunft womöglich noch an Bedeutung gewinnen wird, nannte Fluhr die Raman-Spektroskopie. Mit dieser nicht invasiven In-vivo-Methode kann man die Wirkstoffpenetration an der menschlichen Haut messen und Penetrationskinetiken erstellen.

Das Modell der Franz-Zelle wird auch am Institut für Pharmazie der Freien Universität Berlin (Bild) für orientierende Prüfungen zur dermalen Resorption von Stoffen eingesetzt. Die Aussagekraft dieser In-vitro-Methode ist jedoch naturgegeben limitiert und nur mit Einschränkungen auf die menschliche Haut übertragbar.

Allerdings, so Fluhr, seien die neuen In-vivo-Visualisierungstechniken nicht gerade preisgünstig. Hier bedürfe es Kooperationen im akademischen Bereich, um die Geräte optimal zu nutzen. Zudem seien Diskussionen und Festlegungen in Fachkreisen wichtig, in welche Richtung der Weg mit den neuen Verfahren führen soll. Fluhr: „Derzeit produzieren wir Tonnen von Daten, aber nicht immer ist klar, was die Daten eigentlich aussagen.

Insgesamt waren sich die Experten, die an dem Symposium teilnahmen, einig, dass Nanopartikel immense neue Optionen für die Dermatologie und Kosmetologie eröffnen. Nach derzeitigem Kenntnisstand scheinen sich die Risiken dieser kleinen Partikel dagegen in Grenzen zu halten. Für eine abschließende Bewertung der Effizienz und der möglichen Toxizität reiche die derzeitige Datenlage jedoch noch nicht aus.

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