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GD Gesellschaft für Dermopharmazie e.V. |
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Dermopharmazie aktuell Vitamin B12-Salbe gegen Neurodermitis und Psoriasis Die vermeintliche Wundersalbe bleibt weiter in der Diskussion Bericht von Dr. Claudia Schöllmann, Königswinter, und Dr. Joachim Kresken, Viersen Am 19. Oktober 2009 wurde in der ARD die Dokumentation „Heilung unerwünscht – Wie Pharmakonzerne eine Medikament verhindern“ ausgestrahlt. Nach Angaben des verantwortlichen Senders, dem Westdeutschen Rundfunk, sollte über „den gescheiterten Versuch eines Erfinders, eine Creme gegen Hautkrankheiten in Kooperation mit großen Pharma-Konzernen zu vermarkten“ informiert werden. Die Sendung und die darin vorgestellte Vitamin B12-Salbe, die gegen Neurodermitis und Psoriasis wirken soll, lösten enorme Resonanz in der breiten Öffentlichkeit aus und sorgten auch unter Fachleuten für eine bis heute anhaltende Diskussion. Umstritten sind vor allem das von der Herstellerfirma vorgetragene Wirkprinzip sowie die Tatsache, dass die Salbe als Medizinprodukt vermarktet wird. DermoTopics versucht einen sachlichen Rückblick und zeigt auf, wie es mit dem Produkt weitergehen könnte. Ende Oktober 2009 wurden die deutschen Apotheken mit Anfragen nach einer vermeintlichen neuen Wundersalbe gegen Neurodermitis und Schuppenflechte überschüttet. Was war geschehen? Am 19. Oktober hatte die ARD die Dokumentation „Heilung unerwünscht – Wie Pharmakonzerne eine Medikament verhindern“ des WDR-Redakteurs Klaus Martens ausgestrahlt. Martens berichtete, wie ein Medizinstudent vor etwa 20 Jahren für seine an Psoriasis erkrankte Freundin eine Salbe mit Vitamin B12 und Avocadoöl anrührte, die deren Hautbild bald besserte. Jahrelang soll der junge Mann dann versucht haben, eine Pharmafirma für die Vermarktung der Zubereitung zu gewinnen. Die Bemühungen, so suggeriert der Film, seien gescheitert, weil die angesprochenen Firmen aus Profitgier die Markteinführung einer wirksamen und nebenwirkungsarmen, aber vergleichsweise preiswerten Therapieoption torpedierten, um den Absatz ihrer eigenen teureren Produkte nicht zu gefährden. Markteinführung mit fadem Beigeschmack Wenige Tage später durfte Martens in einer ARD-Talkshow erneut seinen Film und zusätzlich sein kurz darauf erschienenes Buch gleichen Inhalts vorstellen. Parallel dazu wurde die Nachricht verkündet, dass sich mit der Schweizer Firma Mavena Health Care AG, Baden, nun doch ein Vertriebspartner gefunden habe und die Salbe unter dem Markennamen Regividerm® im November 2009 zum Preis von knapp 30 Euro für hundert Gramm in Apotheken verfügbar sei. Die Sache bekam jedoch einen faden Beigeschmack, als sich kurz darauf herausstellte, dass Regividerm® bereits seit dem 15. Oktober unter der Pharmazentralnummer 5523487 in den Apothekensoftwaresystemen gelistet wurde. Es musste deshalb angenommen werden, dass sich die Salbe bereits vor Ausstrahlung des Beitrags im Handel befand. Wie sich später herausstellte, war sie jedoch tatsächlich erst ab November in den Apotheken verfügbar. Vielen Beobachtern drängte sich der Eindruck auf, dass mit Hilfe eines Filmes ein Buch und ein neues Produkt protegiert werden sollten – im Sinne einer gezielten Werbekampagne. Der Deutsche Psoriasis Bund sah sich daraufhin genötigt, den Deutschen Presserat anzurufen. Diese Maßnahme hat offensichtlich Wirkung gezeigt. Der WDR stellte Martens nämlich inzwischen vom Dienst frei und leitete arbeitsrechtliche Schritte gegen ihn ein. In einer Presseerklärung vom 14. Mai 2010 teilt der WDR mit, dass Martens im Zusammenhang mit dem Beitrag über die Vitamin B12-Salbe gegen Programmgrundsätze verstoßen und falsche Angaben gegenüber dem WDR gemacht habe. Kleinere Studien weisen auf Wirksamkeit hin Unabhängig von den presserechtlichen Streitigkeiten stellt sich die wichtige Frage, wie wirksam die Zubereitung ist und ob sie eine echte Hilfe für die rund fünf Millionen Patienten mit Neurodermitis und Psoriasis darstellt. Hinweise auf Wirksamkeit bei beiden Erkrankungen gibt es durchaus: Bislang wurden drei Studien veröffentlicht, zwei davon randomisiert und placebokontrolliert, die einen therapeutischen Effekt der Salbe erwarten lassen:
Nach Einschätzung von Professor Dr. Hans F. Merk, Direktor der Universitäts-Hautklinik Aachen, sind die bisher vorliegenden Studienergebnisse durchaus interessant und lassen das Einleiten weiterer größerer Studien sinnvoll erscheinen. Noch ungeklärt sei jedoch die Frage, ob die propagierte Wirksamkeit der Salbe bei Neurodermitis und Psoriasis wirklich durch das in topischen Formulierungen als instabil bekannte Vitamin B12 zustande kommt.
Das Wirkprinzip der Salbe ist derzeit noch Spekulation Zum Wirkprinzip der Salbe äußerte sich gegenüber DermoTopics der Mediziner Dr. Hans-Joachim Zeisel, Delegierter des Verwaltungsrates der Mavena Health Care AG. Er behauptet, dass Vitamin B12 für die Wirksamkeit verantwortlich sei, indem es auf rein physikalischem Weg übermäßig freigesetztes Stickstoffmonoxid (NO) in der Haut der betroffenen Patienten abfängt. Demzufolge seien weder pharmakologische, immunologische noch metabolische Effekte zu verzeichnen.
Diese Formulierung entspricht fast wörtlich der rechtlichen Beschreibung eines Medizinproduktes, dessen bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Stoffe noch durch Metabolismus erreicht werden darf. Ob die propagierte rein physikalische Interaktion von Vitamin B12 mit NO tatsächlich eine klinische Bedeutung hat, scheint jedoch noch nicht geklärt zu sein. Bislang fehlen jedenfalls Studien am Menschen, die diesen Effekt wissenschaftlich unzweifelhaft belegen. Nach Einschätzung von Professor Merk ist prinzipiell auch denkbar, dass ein antientzündlicher Effekt durch die antioxidativ wirksamen Substanzen des ebenfalls in der Salbe enthaltenen Avocadoöls verursacht sein könnte. Dies wäre dann aber wohl ein pharmakologischer Effekt, der nicht mit einem Medizinprodukt vereinbar ist. Nicht zuletzt darf ins Kalkül gezogen werden, dass bei einer halbfesten Formulierung, wie sie hier vorliegt, auch die Grundlage als Ganzes für die Wirksamkeit allein verantwortlich oder in erheblichem Umfang daran beteiligt sein könnte. In diesem Fall wäre die Salbe wohl eher ein Pflegeprodukt. Von einem „geprüften Therapiekonzept“ zu sprechen, wie es die Vertriebsfirma tut, erscheint jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht angemessen. Auf keinen Fall lässt sich aus den vorliegenden Daten ableiten, dass mit der Salbe ein neues Wundermittel entwickelt wurde, das in der Lage ist, Psoriasis und Neurodermitis in vielen Fällen zu „heilen“, wie es der Titel der ARD-Dokumentation suggerierte. Zweifel an der Verkehrsfähig- keit als Medizinprodukt Die derzeitige wissenschaftliche Datenlage zu dem Produkt dürfte für eine Zulassung als Arzneimittel kaum ausreichen. Vermutlich aus diesem Grund hat der Hersteller, die Regeneratio Pharma GmbH aus Remscheid, die Salbe wohl als Medizinprodukt der Klasse IIa (mäßiger Invasivitätsgrad, kurzzeitige Anwendung) registrieren lassen. Die deutschen Behörden hegen jedoch Zweifel an der Verkehrsfähigkeit der Salbe als Medizinprodukt. Wie die Deutsche Apotheker Zeitung in ihrer Online-Ausgabe vom 24. März 2010 berichtete, hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) das Produkt auf Anfrage der Bezirksregierung Düsseldorf als Arzneimittel eingestuft. Die Bezirksregierung hat daraufhin ein Anhörungsverfahren eingeleitet, in dem sich die Herstellerfirma zur Sachlage äußern kann. Das Ergebnis dieses offensichtlich noch nicht abgeschlossenen Verfahrens könnte sein, dass die Salbe nicht länger mit ihrem derzeitigen Indikationsanspruch als Medizinprodukt in Verkehr gebracht werden darf. Unabhängig davon, wurde die Salbe als Ergebnis einer markenrechtlichen Auseinandersetzung im März 2010 umbenannt und heißt jetzt Mavena® B12 Salbe. Die Zusammensetzung und Aufmachung des Produktes sind unverändert geblieben, die Pharmazentralnummer (jetzt 6142505) hat sich jedoch geändert.
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Juli 2010 | ![]() |
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